Dialekte und Deutsch lernen: Deutsch ist nicht gleich Deutsch!
Ein Erfahrungsbericht von Finnin Anne Pajarinen (Leiterin des Centrums Radolfzell)
Wer in einem Kurs Deutsch lernt, kann sich meist nach kurzer Zeit auf Hochdeutsch verständigen. Wird aber in regionalen Dialekten gesprochen, verstehen die meisten Deutschlerner nur Bahnhof. Anne Pajarinen, die Leiterin des Carl Duisberg Centrums in Radolfzell, ist selbst Finnin und teilt ihre Erfahrungen beim Deutschlernen mit Dialekten.
💭 „Können Sie bitte Hochdeutsch sprechen?“
Ich bin in Finnland geboren und aufgewachsen. Als ich vor fast 30 Jahren das erste Mal nach Deutschland kam, war meine erste Station in der bayerischen Oberpfalz – in der Nähe der malerischen Stadt Regensburg. Bereits in den ersten Tagen habe ich mehrere Menschen getroffen, die ich überhaupt nicht verstehen konnte, weil sie den lokalen Dialekt gesprochen haben. „Entschuldigung, können Sie bitte Hochdeutsch sprechen?“, war einer meiner Standardsätze damals. Ein anderes Wort für Dialekt ist Mundart – es ist die Art zu sprechen in einer bestimmten Region.
🥨 Der fränkische Dialekt in Bayern
Ein paar Jahre später – die nächste Herausforderung: Ein Austauschjahr an der Universität Würzburg. Der fränkische Dialekt, der dort gesprochen wurde, war für mich deutlich einfacher zu verstehen als der Dialekt in der Oberpfalz. Vielleicht waren meine Ohren bereits besser geschult für die verschiedenen Dialekte in Bayern. Die weich gesprochenen Konsonanten kamen mir sehr entgegen, hatte ich doch mit der Aussprache der harten Konsonanten (k, p, t) immer noch Schwierigkeiten. Auch mit dem rollenden „R“ kam ich als Finnin bestens zurecht.
💡 Schwäbisch ist gar nicht so schwer
Nach ein paar Jahren habe ich das Bundesland gewechselt und bin nach Stuttgart gezogen. In der baden-württembergischen Hauptstadt wird Schwäbisch gesprochen. Der allererste Satz, den ich bereits am Flughafen kurz nach der Landung gehört habe, lautete: „Hascht Durscht?“. Diesen Satz habe ich aber nicht verstanden und musste meinen Freund fragen, was der Vater da seinen Sohn fragte. „Hast du Durst?“, lautete die Antwort. Das war die perfekte Einführung in den schwäbischen Dialekt. „Hast du“ ist gleich „hasch“, „bist du“ ist gleich „bisch“, und „st“ wird überall wie am Wortanfang, also „scht“, ausgesprochen.
🗣️ Deutsche Dialekte am Bodensee
Vor 15 Jahren kam ich an den Bodensee. Auch wenn wir immer noch in Baden-Württemberg sind, ist der lokale Dialekt doch ziemlich anders als in Stuttgart. Hier wird nämlich kein Schwäbisch, sondern Bodensee-Alemannisch gesprochen. Die Bodenseeregion ist als Grenzregion sehr reich an Dialekten. Neben Bodensee-Alemannisch wird am südlichen Seeufer Schweizerdeutsch („Schwiizerdütsch“) gesprochen, am östlichen Ende die österreichische Variante des Deutschen, im Norden und Nordosten wiederum Bayerisch und Schwäbisch.
🇩🇪 Dialekte gehören zur deutschen Kultur
Auch wenn Dialekte vor allem für uns Nicht-Muttersprachler*innen schwierig zu verstehen sind, sind sie ein wichtiger Teil der deutschen Kultur und machen die verschiedenen Regionen so einzigartig. Die meisten Menschen in Deutschland können auch Hochdeutsch sprechen, man muss sie nur darum bitten! Seit einigen Jahren versuche ich Schweizerdeutsch verstehen zu lernen. Dafür höre ich immer wieder einen Schweizer Radiosender. Ich verstehe zwar immer noch nicht alles und muss mich sehr konzentrieren beim Zuhören, aber es wird immer besser.
Nicht nur in ländlichen Regionen wird Dialekt gesprochen, sondern auch in Großstädten. An den Carl Duisberg-Standorten in Deutschland kann man neben Bodensee-Alemannisch (Radolfzell) auch Bairisch (München), Kölsch (Köln), Hessisch (Marburg), Berlinerisch* (Berlin) und Saarländisch (Saarbrücken) hören. In unseren Sprachschulen wird natürlich Hochdeutsch gesprochen und unterrichtet. ;-)
(*Berlinerisch ist laut Wikipedia kein Dialekt, sondern ein sogenannter „Metrolekt“, eine Art Großstadtsprache, die aus verschiedenen Dialekten besteht.)
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